Wenn Menschen zu Jüngern werden, geschieht Gemeinde – in jedem Dorf und jeder Metropole.

Manchen Denominationen und Gemeindebünden ist es wichtig, dass es in jeder Stadt (ab einer bestimmten Einwohnerzahl) eine ihrer Kirchen oder Gemeinden gibt. Umgekehrt habe ich immer wieder gehört: „Hier bei uns gibt es doch schon eine unserer Gemeinden – wozu noch eine weitere gründen?“

Als wir 1990 mit unserer Familie in eine Allgäuer Kreisstadt zogen, um einen neue Gemeindegründung zu starten, kam es zu Diskussionen mit einem Gemeindebund, zu dem Gemeinden in zwei benachbarten Städten gehörten. Es sei kein Raum für eine weitere freikirchliche Gemeinde, hieß es da, und wir sollten lieber an andere Orte gehen.

Doch wann ist eine Ortschaft, Region oder Stadt (egal welcher Größe) vom Evangelium erreicht? Genügt da eine Kirche oder Gemeinde, die missionarisch aktiv ist? Ist es nicht oftmals die Vielfalt verschiedener Ausdrucksformen christlicher Gemeinschaften, die die unterschiedlichen Menschen unserer Gesellschaft besser anspricht?

Teil einer Gemeinschaft sein

Der Missionswissenschaftler und Pionier für Gemeindegründung C. Peter Wagner formulierte 1990 die Aussage, dass die Gründung neuer Gemeinden die effektivste Form der Evangelisation ist. Dies gilt aber nur, wenn es sich um eine missionarische Neugründung handelt, d.h. wenn sich die entstehende Gemeinde überwiegend aus Menschen zusammensetzt, die vor Ort zum Glauben an Jesus kommen.

Genau diese Einschränkung ist der Grund, warum der US-amerikanische Gemeindegründer J. D. Payne schreibt:

„In Wirklichkeit war diese ‚Wahrheit‘ schon 1990 nicht wahr – und sie ist es auch heute nicht. Viele Gemeindegründungen kommen fast oder ganz ohne Evangelisation aus. Während weltweit Gemeinden überwiegend aus der Ernte der Verlorenen gegründet werden, entsteht die überwältigende Mehrheit der Gemeindegründungen in Nordamerika durch Transferwachstum.“

Leider sieht die Situation auch in Deutschland nicht anders aus: Gemeindegründungen starten oft nicht unter denen, die Jesus noch nicht kennen, sondern sind Kristallisationspunkte für Christen, die sich aus den verschiedensten Gründen von der neuen Gemeindegründung angezogen fühlen. Im besten Fall sind das Leute, die eine Berufung und ein starkes Anliegen haben, dass ihre Umgebung mit dem Evangelium erreicht wird.

Wir haben selber erlebt, wie positiv sich das auswirken kann. Oft sind es aber Christen, die unzufrieden mit ihrer bisherigen Gemeinde waren. Das mag sogar berechtigte Gründe haben wie etwa die fehlende, motivierende Gemeindevision, der mangelhafte geistliche Zustand der Gemeinde, das Verharren in alten Formen oder fehlende Angebote für die eigenen Kinder.

So berechtigt die aufgeführten Gründe auch sein mögen, so darf doch gefragt werden, woran diese Menschen teilhaben wollen. An einer geistlich motivierten Vision, um Verlorene in Gottes Gemeinschaft zu bringen? Oder ist es ein Gottesdienst in modernerem Stil, ansprechenderer Predigt und besserem Kinderprogramm? Oft nehmen Christen weite Wege auf sich und fahren an etlichen bestehenden Gemeinden vorbei, um Teil dieser neuen Gemeindegründung zu sein. Und schon besteht die neue Gemeinde schnell aus 90 Prozent Christen.

J.D. Payne verweist darauf, dass das biblische Modell für Gemeindegründung ungewohnt für uns klingt:

„Auch wenn wir es gern denken: Wir sind nicht dazu berufen, Gemeinden zu gründen […] Wenn wir Menschen zu Jüngern machen, werden Gemeinden geboren. Das ist die wirklich apostolische Arbeit.“

Drei Szenarien einer Gemeindegründung

Wie kann es aber nun zu einer Neugründung kommen? Hierzu drei mögliche Szenarien:

  • Apostolisch begabte Menschen zeichnen sich durch einen strategischen Blick auf die Orte, Regionen und Städte aus, „wo Christi Name noch nicht genannt wurde“ – um es mit Paulus zu sagen (Röm 15,20). Sie zieht es förmlich zu diesen „weißen Flecken“ und sie finden Wege, das Evangelium zu kommunizieren. Dabei stoßen sie auf geistlich offene Menschen und Schlüsselpersonen („Personen des Friedens“), die ihnen die Tür öffnen zu Familien, Freundeskreisen oder Beziehungsnetzwerken. Hier kann das Evangelium Wurzeln schlagen und Menschen finden zu Jesus.
    Als echte Pioniere können solche Missionare zu Katalysatoren einer Bewegung in einer ganzen Region oder Stadt werden – idealerweise in einem Team, in dem sie Ergänzung finden.
  • Weiterhin kann es sein, dass schon Christen ohne Gemeindeidentität vor Ort leben, die sich die Gründung einer Gemeinde wünschen. Sie beten dafür und rufen gewissermaßen: „Komm herüber und hilf uns!“ (Apg 16,9) – ähnlich wie Paulus seine Berufung nach Mazedonien erlebte. Auf diese Weise können apostolische Gemeindegründer Mitarbeiter finden, die den Start einer Neugründung erheblich erleichtern.
  • Manchmal entsteht unter Christen, die vor Ort leben und die zu einer weiter entfernten Gemeinde gehören, der Wunsch, eine lokale Tochtergemeinde zu gründen. Dabei ist es von Vorteil, wenn sie durch apostolisch begabte Menschen unterstützt werden, damit der Fokus auf der missionarischen Ausrichtung bleibt und nicht nur die Muttergemeinde einfach kopiert wird.

In allen Fällen ist es wichtig, dass apostolische Teams einerseits mit den lokalen Gruppen und Gemeinden verbunden sind und andererseits zugleich unabhängig bleiben und nicht in der Gemeindearbeit absorbiert oder gar kontrolliert werden. Gegenseitiges Vertrauen und guter Austausch sind hier entscheidend!

Wolfgang Klöckner

…lebt und arbeitet seit vielen Jahren mit seiner Frau Ute im Allgäu, wo sie die Gründung und den Aufbau einiger Gemeinden gestartet und unterstützt haben. Sie begleiten und fördern verschiedene missionarische Projekte in der Region. Wolfgang engagiert sich darüber hinaus im Vorstand der Deutschen Inlandmission (DIM).

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