Von der persönlichen Berufung zum strategischen Plan war es für Victor Sudermann ein längerer Weg.
Was mich schon immer erstaunt hat, wenn ich die Briefe von Paulus gelesen habe, sind die Bestimmtheit und die Sicherheit, mit der er sich Apostel nennt. In den meisten seiner Briefe unterstreicht er deutlich, dass er ein Apostel ist. Mit Sicherheit war das nicht immer so.
Paulus, der Apostel
In den Anfängen seines Glaubenslebens sehen wir, dass Paulus als ein einfacher Jünger Jesu auftrat und von dem berichtet, wie Jesus ihm persönlich in Damaskus begegnet ist. Es vergehen fast zehn Jahre, bevor er mit der ersten Missionsreise startet. Seinen ersten Brief verfasst er etwa 15 Jahre nach seiner Bekehrung. In diesem Brief an die Thessalonicher bezeichnet er sich noch nicht als Apostel. Paulus erlernte seine apostolische Gabe in kleinen Schritten und in tiefen Lebenserfahrungen, bis er mit voller Überzeugung sagen konnte:
„Ich bin ein Apostel Jesus Christi, berufen von Gott dem Vater und nicht von Menschen“ (Gal 1,1).
Fünf Schritte in die apostolische Berufung
Als Elisabeth und ich vor zehn Jahren ins niedersächsische Bodenwerder zogen, war uns nicht bewusst, mit welchen Gaben uns Gott ausgerüstet hat. Wir wussten nur eins: Gott ruft uns dorthin, um eine Gemeinde zu starten, und wir waren gehorsam. Doch nach zehn Jahren in der Gemeindegründung, nach vielen kleinen Schritten, nach vielen tiefen Erfahrungen können wir sagen, mit welchen Gaben Gott uns ausgestattet hat und wie er in Zukunft mit uns wirken möchte.
Ich möchte gern erzählen, wie Gott mir gezeigt hat, dass ich die Gabe des Apostels habe. Mit der Zeit konnte ich diese Gabe annehmen, aber ich befinde mich immer noch in der Phase des Lernens. Anhand von fünf Schritten habe ich für mich erkannt, dass Gott mich so ausgerüstet hat.
Der erste Schritt: Die persönliche Berufung
Als wir 2003 in die Bibelschule kamen, war mir eines klar: Gott würde uns in diesen drei Jahren zeigen, wie es in Zukunft mit uns als Ehepaar weitergehen würde. Es war im zweiten Semester, wir hatten unseren Missionsabend, als Gott zu mir mit einer hörbaren Stimme sagte: „Ihr werdet in Deutschland Gemeinde gründen!“ Und: „Ihr werdet nach Bodenwerder ziehen!“ Eine so klare Aussage von Gott hatte ich noch nie gehört, es war für mich eine besondere Erfahrung. Durch viele andere Zeichen bestätigte Gott unseren Weg nach Bodenwerder und so gingen wir diesen Schritt.
In dieser persönlichen Berufung zeigte Gott uns als Ehepaar unsere gemeinsame Lebensaufgabe – Gemeindegründung im Reich Gottes – und den nächsten Ort, an den wir ziehen sollten, um etwas Neues zu starten. Mit der persönlichen Berufung fängt die apostolische Begabung an zu leben. Der Schritt in das neue Umfeld war nicht einfach, denn in den meisten Fällen ist man an dem neuen Ort alleine. Gott ruft ja gerade in eine Umgebung, in der er für sein Königreich etwas Neues beginnen möchte.
Gott rief mich in die Finsternis hinein, in der er für sein Königreich etwas Neues beginnen möchte.
Zudem betritt man die Finsternis, um Menschen ins Licht zu ziehen (Kol 1,13). Das bedeutet, immer in einem Kampf zu stehen. Niederlagen, Enttäuschung, Entmutigung, Verfolgung und Leid sind an der Tagesordnung. Das sind Zeiten, in denen man fliehen möchte. Gerade an solchen Tagen ist es wichtig, sich an seine Berufung zu erinnern und zu wissen, dass man trotz allem an dem Ort ist, an den Gott einen gestellt hat. Das hilft beim Durchhalten.
Der zweite Schritt: Vielfalt und Grenzen
Der Beginn in Bodenwerder war sehr aufregend. Wir waren allein als Ehepaar an dem neuen Ort und kannten dort noch niemanden. Frisch von der Bibelschule und sehr unerfahren was Gemeindegründung angeht, gingen wir motiviert an die Arbeit.
In den nächsten drei Jahren entstand eine lokale Gemeinde mit Räumlichkeiten und regelmäßigen Gottesdiensten. Ich lernte schnell, dass mir Vieles sehr leicht fällt. Ich kam schnell mit Menschen in Kontakt und teilte mit ihnen das Evangelium. Menschen kamen zum Glauben und wir tauften sie. Ich konnte die Gemeinde zusammenhalten und organisierte Veranstaltungen. Ich lehrte die Gemeinde, hielt Seminare und zeigte die nächsten Schritte, die für uns als Gemeinde dran waren.
Meine Person stand immer im Vordergrund, bis mir eines Tages die Kräfte ausgingen. In dieser Zeit hat Jesus mir einiges über die apostolische Gabe beigebracht. Ein Apostel kann vieles, aber nicht alles richtig gut. Der Apostel beherrscht alle Leitungsgaben, er hat Anteile des Evangelisten, des Hirten, des Lehrers und des Propheten. Doch die Menschen mit der entsprechenden Leitungsgabe können es besser. Der Apostel ist ein Starter, der in neuen Umgebungen Neues beginnt, aber nach einer gewissen Zeit muss er das Feld räumen, weil es Menschen gibt, die besser verwalten können als er.
Der Apostel ist ein Pionier – er geht voran – aber nach einer gewissen Zeit muss er das Feld räumen, weil es Menschen gibt, die besser verwalten können als er.
Mir wurde bewusst: Wenn ich nicht rechtzeitig zurücktrete, hindere ich andere Leiter mit ihrer Leitungsgabe an ihrer Entwicklung. Die apostolische Gabe besteht genau darin, andere in ihrer Begabung zu sehen und sie in ihrer Gabe zu fördern.
Der dritte Schritt: Vielfalt und Vorleben
Ein Apostel ist ein Startertyp. Er fängt an, das Königreich Gottes in einer neuen Umgebung aufzurichten. Menschen kommen zum Glauben und die zukünftigen Leiter der Gemeinde kommen aus der eigenen Ernte. Durch seine vielfältigen Leitungsgaben lebt der Apostel den zukünftigen Leitern das vor, was er ihnen im nächsten Schritt beibringen will. In der Zeit in Bodenwerder habe ich in meiner Gabe als Apostel gelernt, dass ich anderen am meisten vermitteln kann, wenn ich es selbst vorlebe. Die meisten Leiter wachsen, wenn man ihnen erst einmal vorlebt, was von ihnen und ihrer Gabe erwartet wird. Wenn ich einem Hirten zeigen will, wie er seine Leitungsgabe leben soll, dann lebe ich es ihm erst einmal vor. Anschließend gebe ich ihm die Freiräume, sich auszuprobieren, indem ich mich zurückziehe.
Der vierte Schritt: Blick auf die Region
Nach einigen Jahren in Bodenwerder mussten wir als Gemeinde unsere Räume aufgeben. Wir bemühten uns um eine neue Immobilie in der Stadt, aber alles, was wir bekamen, waren Absagen. Wir verabredeten uns zum hörenden Gebet, um zu erfahren, was Gott mit uns vorhatte. An diesem Abend bekamen wir von Gott einige Antworten. Eine Antwort überwältigte uns alle – vor allem mich! Jemand bekam ein Bild, nach dem im Weserbergland in einzelnen Ortschaften kleine Lichter angingen, bis schließlich das ganze Weserbergland leuchtete. Wir alle waren fasziniert, dass Gott nicht nur in Bodenwerder, sondern in der ganzen Region Neues aufrichten wollte. Ich erkannte, wie wichtig es für meine apostolische Gabe ist, die gesamte Region im Blick zu haben.
Mit diesem Blick ging auch Paulus auf seine Missionsreisen, seine Endziele waren nicht Städte, sondern die gesamte Umgebung. Ein Apostel hält seinen Blick auf die Region und macht sich Gedanken, wie sie mit dem Evangelium durchdrungen werden kann.
Der fünfte Schritt: Der strategische Plan
Als Jesus meinen Blick immer mehr auf die Region lenkte, fragte ich mich, wie das praktisch aussehen sollte. Innerhalb unserer Missionsgesellschaft redeten wir schon seit einigen Jahren über verschiedene Prinzipien von Gemeindegründungsbewegungen. Auf den unterschiedlichsten Kanälen bekamen wir Inputs und wandten sie im Weserbergland gezielt an. Für die vielen Anregungen war ich unglaublich dankbar. In den letzten Jahren konnte ich von vielen guten Leuten lernen: David Watson, Ying Kai, Neil Cole, Steve Addison, Curtis Sergeant.
Ich entdeckte, dass jeder zwar andere Schwerpunkte setzte und andere Schritte ging, aber durch jeden ihrer Dienste entstanden viele Gemeinden. Mir wurde bewusst, dass der Erfolg nicht darin liegt, andere strategische Pläne zu kopieren, sondern im Gehorsam die Strategie anzuwenden, die Gott mir zeigt. Paulus und Petrus sind für mich da ein großes Vorbild: Egal, an welchen Ort der Heilige Geist sie sandte, wussten sie, was sie tun und wie sie handeln sollten. Sie hatten ihren strategischen Plan durch das langjährige Erleben und Erlernen entwickelt.
Meine apostolische Gabe dient dazu, unseren strategischen Plan zu erkennen.
In den letzten beiden Jahren erlebe ich genau das: Meine apostolische Gabe dient mehr und mehr dazu, unseren persönlichen strategischen Plan zu erkennen. Gott offenbart wichtige Elemente dafür. Und wenn Gott uns morgen an eine andere Stelle senden würde, um neue Regionen zu erreichen, wüsste ich, was ich tun kann, um in dieser Region das Reich Gottes aufzurichten.
Es ist schwer, die Gabe des Apostels mit wenigen Worten zu definieren. Ich wollte dir deshalb lieber einen Einblick in meine eigenen Schritte mit dieser Gabe geben. Vielleicht helfen dir diese fünf Schritte dabei zu erkennen, ob Gott dich auch mit dieser Gabe ausgestattet hat.
Victor Sudermann
…lebt mit seiner Familie in Bodenwerder und arbeitet im Rahmen vom Team Weserbergland an einer Bewegung. Außerdem ist er in der DIM auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Entwicklung von Trainings aktiv.
Mehr Inspiration
Ländliche Regionen erreichen
In Deutschland leben etwa 57 Prozent der Bevölkerung in Mittelstädten und Landgemeinden, also in Orten mit weniger als 50.000 Einwohnern. Die meisten von ihnen leben in kleineren Orten und Dörfern. Diese dörflichen sozialen Strukturen bieten ihre ganz eigenen Herausforderungen und Gelegenheiten für das Evangelium...
Teams ausbilden und befähigen
Jesus sagte, er wolle seine Jünger zu Menschenfischern machen. Sowohl Methode als auch Inhalt werden von Jesus gleich zu Beginn skizziert: eine enge Lebensgemeinschaft mit ihm in der Nachfolge und der Auftrag, selbst Menschen zu gewinnen. Beide sind zwei Seiten einer Medaille, nämlich der Jüngerschaft...
Spenden
Wenn du von Jesusbewegung.net profitierst und uns etwas zurückgeben möchtest, dann darfst du das gern via PayPal tun.
Möchtest du uns mit 25€, 50€ oder 100€ unterstützen? Trag gern deinen eigenen Betrag ein.
VIDEOTRAINING
Nichts mehr verpassen!
Du möchtest unsere Artikel regelmäßig per Email direkt in dein Postfach bekommen? Trag dich für unseren Newsletter ein!
Das könnte dir auch gefallen
Hat die traditionelle Form der Gemeinde mit Kanzel und Sitzreihen ausgedient? Vielleicht ist es an der Zeit, unser biblisch-theologisches Verständnis von Kirche zu überdenken. Ein Gastbetrag von Warrick Farah und Alan Hirsch
"Erzähl ihm alles, was du weißt!" - Das ist der Auftrag, den Odysseus seinem Freund Mentor gab. Da kommt unser Begriff vom Mentoring her. Es ist die Kunst, einen Charakter zu formen. Jesus selbst hat Mentoring geprägt wie kein anderer...
Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem Gemeinschaften entdecken, dass es auch noch andere gibt, die genauso unterwegs sind wie sie selbst...