Exegetische Einblicke in den Dienst der Apostel im Neuen Testament.

Was macht einen Apostel aus?

Das Wort Apostel ist mit Gesandter zu übersetzen. Aus seinen Jüngern wählte sich Jesus zwölf Männer aus (Lk 6,13), die er „Apostel“ nannte (Mk 6,14a). Apostel konnte nur sein, wer ein Jünger war. Die Apostel sollten Jesus begleiten und später als Gesandte das Reich Gottes verkündigen (Mk 6,14b.15). Ein Apostel ist jemand, den Jesus sendet (griechisch: „apostellein“; Mk 6,14). Wie das geschieht, sehen wir in Markus 6,7, Lukas 9,2 oder Matthäus 10,1: „Und er rief seine zwölf Jünger herbei und gab ihnen Vollmacht, unreine Geister auszutreiben und jede Krankheit und jedes Gebrechen zu heilen.“

Was machte die zwölf Apostel aus?

  • Die zwölf Apostel waren Jesu berufene Gesandte.
  • Ihr Auftrag war, die Gottesherrschaft zu proklamieren, Kranke zu heilen, Dämonen auszutreiben.

Als Gesandter und Bevollmächtigter muss der Apostel nach Ausführung eines Auftrags Rechenschaft ablegen (Mk 6,30; Lk 9,10). Er redet und handelt in Jesu Interesse, als ob Jesus selbst da wäre (Lk 10,16): „Wer euch hört, hört mich, und wer euch verachtet, verachtet mich. Wer aber mich verachtet, verachtet den, der mich gesandt hat“ (Mt 10,40-42; Mk 9,41). Das waren die Regeln des semitischen Botenrechtes. Ein Apostel vertritt als Gesandter Jesus so, als ob Jesus selbst der Handelnde wäre. Was er tut und sagt, ist vor Jesus bindend, so als ob Jesus es getan oder gesagt hätte.

Danach scheint Jesus die Apostel nicht mehr ausgesandt zu haben. Matthäus nennt sie Jünger, nicht mehr Apostel, für Lukas dagegen bleiben sie Apostel (Lk 17,5; 22,14). Vor seinem Tod erneuert Jesus ihren Auftrag, wobei er die Rahmenbedingungen anpasst: Die Apostel sollen nun einen Geldbeutel mitnehmen und ein Schwert kaufen (Lk 22,35-38). Ich deute dies so, dass die Apostel sich weiterhin als Gesandte und Bevollmächtigte zu verstehen hatten und dabei ihre Vorgehensweise den jeweils wechselnden Umständen anpassen und den Vorgaben aus Matthäus 10,7-15par nicht sklavisch folgen sollten.

Nach seiner Auferstehung erneuert Jesus Berufung und Auftrag der Zwölf nochmals (Lk 24,36ff). Ihre endgültige Bestimmung ist es, Zeugen Jesu zu sein (Lk 24,44-47), besonders seiner Auferstehung (Lk 24,48). Der Auftrag ist nun weder zeitlich noch örtlich begrenzt (Apg 1,7f). Dazu verspricht Jesus, den Heiligen Geist auf sie herabzusenden und sie „mit Kraft aus der Höhe“ auszurüsten (Lk 24,49; Apg 1,8). Nach Ostern kann es keinen Apostel ohne Heiligen Geist geben.

Zwei wesentliche Momente des Apostolats der Zwölf:

  • Diejenigen, die während seiner irdischen Wirksamkeit mit Jesus gingen, werden nach Jesu Tod und Auferstehung zu seinen Platzhaltern.
  • Durch Jesu Tod und Auferstehung werden sie zu Missionaren mit dem Auftrag, alle Völker zu Jüngern zu machen (Mt 28,18-20).

Aufgabe und Auftrag ergeben die Kriterien, nach denen ein Nachfolger für Judas Iskariot gesucht wurde (Apg 1,21f): „Es muss also einer von den Männern sein, die uns begleitet haben die ganze Zeit, da Jesus, der Herr, bei uns ein und aus ging, von dem Tag der Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, da er von uns weg in den Himmel aufgenommen wurde …“ Er musste „Zeugnis von seiner Auferstehung ablegen“ (Apg 1,23-26).

Die Bestimmung eines Apostels aus dem Zwölferkreis:

  • Augenzeuge der Auferstehung Jesu von den Toten sein

Der apostolische Auftrag hat nach Ostern universellen Anspruch. Die Botschaft gilt der ganzen Welt (Mt 28,18ff; Lk 24,47; Apg 1,8). So bleibt der Kreis der Apostel nicht auf die Zwölf beschränkt. In Apg 15,1f sind nicht mehr sie gemeint. Jakobus, der Sohn des Zebedäus, ist tot (Apg 12,1f) und Jakobus, der Bruder Jesu, wird nun von Paulus als Apostel wahrgenommen (Gal 1,18f), obwohl er zu Jesu Lebzeiten kein Jünger war. Als Paulus nach Jerusalem kommt, ist von den Zwölfen nur Petrus anwesend. Der Kreis der Apostel ist erweitert worden und wir erfahren weder, wo die anderen sind noch was sie tun.

Der Kreis der Apostel ist erweitert worden.

 

In der Apostelgeschichte tauchen mit Barnabas und Paulus Gesandte auf, die Jesus zu Lebzeiten nicht begegneten. Sie werden in Apg 14,4.14 ausdrücklich Apostel genannt. Im Auftrag des Heiligen Geistes entsendet sie die Gemeinde in Antiochia in die Mission (Apg 13,1ff). Damit beginnt die erste Missionsreise des Apostels Paulus (Apg 13,4-14,28).

Die Berufung erfährt Paulus bei seiner Bekehrung (Apg 9,15), als Jesus zu Ananias sagt: „Geh hin, denn gerade er ist mein auserwähltes Werkzeug, meinen Namen zu tragen vor den Augen von Völkern und Königen und vor den Augen der Israeliten.“ Paulus sollte das Evangelium von Jesus Christus den Völkern bekannt machen. Dass er dabei Zeuge der Auferstehung Jesu wird, indem dieser ihm persönlich erscheint (1 Kor 15,8), ist für seine Bestimmung konstitutiv (Apg 22,14f): „Der Gott unserer Väter hat dich dazu bestimmt, seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu sehen und die Stimme aus seinem Mund zu vernehmen. Denn du wirst sein Zeuge sein.“ Gott offenbart Paulus seinen Sohn, damit er ihn zu den Völkern trägt (Gal 1,15f). Jesus hatte Paulus wissen lassen (Apg 26,16): „… ich bin dir erschienen, um dich zu erwählen zum Diener und Zeugen für mich, so wie du mich jetzt gesehen hast und wie ich dir künftig erscheinen werde.” 

Paulus…

  • bekehrt sich durch die Begegnung mit dem Auferstandenen;
  • sieht ein Licht, hört eine Stimme und wird so zum Zeugen der Auferstehung Jesu;
  • erfährt seine Berufung mit seiner Bekehrung.

Paulus wird bekehrt, indem Jesus ihm buchstäblich in den Weg tritt. Ich betrachte es als zwingend, dass jemand, der sich als Apostel versteht, dem Auferstandenen in einer Erscheinung begegnet ist. Die Bestimmung eines Apostels ist es, Zeuge des Auferstandenen zu sein. Wie könnte er das sein, wenn er das Licht nicht wirklich gesehen und die Stimme nicht wirklich gehört hätte? Zum Zeugen wird ein Apostel durch eine reale, gegebenenfalls sogar sinnlich wahrnehmbare Begegnung mit Jesus, sei es durch eine Vision, eine Audition, ein Bild o.Ä.

Voraussetzungen für Apostel:

  • Apostel bekehren sich durch eine Erscheinung des Auferstandenen.
  • Die Berufung zum Dienst erfolgt rund um die Bekehrung.

Was tun Apostel?

Petrus verkündigt evangelistisch (Apg 2-3; 10-11). Er lehrt die Gemeinde (Apg 2) und vollbringt Zeichen und Wunder bis hin zu einer Totenauferweckung (Apg 3; 5; 9,36-43). Er legt vor dem Hohen Rat Rechenschaft ab (Apg 4). Er und Johannes können aus der zweiten Reihe dienen und ergänzen, was vom Evangelisten nicht geleistet wurde (Apg 8,4-25). Zusammen mit anderen kann er Entscheidungsprozesse gestalten (Apg 15). Und er verkündet Gerichtsbotschaften (Apg 5,1-11; 8,20ff).

Paulus und Barnabas sind reisende Missionare (Apg 13; 14; 15,39f), führen junge Nachwuchskräfte mit (Apg 13,5; 15,39f; 16,1ff), verkündigen die Botschaft von Jesus (Apg 13-14), vollziehen ein Straf- oder Erziehungswunder (Apg 13,8ff), führen Menschen zum Glauben (Apg 13,12; 13,43; 14,1), erleiden Verfolgung (Apg 13,45ff; 14,2.5), vollbringen Zeichen und Wunder (Apg 14,3), heilen Kranke (Apg 14,8ff), erleiden eine Steinigung (Apg 14,19f), ermutigen die Gläubigen (Apg 14,22) und setzen in den entstandenen Gemeinden Älteste ein (Apg 14,23). Später ändert Paulus seine Strategie, führt ein größeres Team mit und verweilt längere Zeit in Korinth (Apg 18). In Ephesus schließlich arbeitet er nur noch multiplikativ (Apg 19). Er schreibt Briefe an die Gemeinden (apostolische Lehre) und begleitet einen ernsten Konflikt in der Gemeinde Korinth.

Apollos ist anders. Er wird nirgends direkt als Apostel bezeichnet. Paulus scheint ihn aber als solchen in 1. Korinther 4,9 mit einzuschließen: „Gott hat uns Apostel als die Letzten hingestellt.“ Der Kontext (1 Kor 4,6-8) legt dies nahe. Er nennt ihn in einem Atemzug mit sich selbst und Petrus (1 Kor 3,22). Er konnte lehren (Apg 18,25.28). Durch ihn kamen Menschen zum Glauben (1 Kor 3,5). Er begoss, was Paulus gepflanzt hatte (1 Kor 3,6). Er entwickelte Gemeinde und ihre Glieder. Er muss ein demütiger Mensch gewesen sein (1 Kor 4,6) und sich dennoch als eigenständig Reisender (Tit 3,13) auf Augenhöhe mit Paulus bewegt haben (1 Kor 16,12). Er war der Mann für Gemeindegründung in einer späteren Phase.

Das Herz eines Apostels

Apostel sind starke Persönlichkeiten von großer Eigenständigkeit (Gal 1,13ff). Paulus kann mitten in Auseinandersetzungen schreiben (1 Kor 4,3): „Mir ist es aber völlig gleichgültig, ob ich von euch oder von einem menschlichen Gericht beurteilt werde.“ Das verbindet die Apostel mit den Propheten. Ihre Eigenständigkeit gründet in ihrer Berufung und ist getragen von der Liebe Christi zu den Verlorenen. Ein Apostel hat ein Herz für verlorene Menschen bis hin zur Selbstaufgabe (Röm 9,3): „Ich wünschte, selber verflucht und von Christus getrennt zu sein, anstelle meiner Brüder, die zum gleichen Volk gehören.“ Gottesfurcht (2 Kor 5,11ff) und die Liebe Christi (2 Kor 5,14f) motivieren einen Apostel.

Paulus brachte größte Opfer (2 Kor 11,23ff). Das Leben ist für Apostel herausfordernd. Gott mutet ihnen viel zu. Paulus weiß sich „als Schauspiel“ hingestellt (1 Kor 4,9). Apostel gelten als „töricht um Christi willen“ und „schwach“, werden „verachtet“. So erfährt Paulus (1 Kor 4,11-13): „Bis zur Stunde hungern und dürsten wir, sind wir nackt und werden geschlagen, sind wir ohne feste Bleibe und mühen wir uns ab mit unserer Hände Arbeit. Werden wir geschmäht, segnen wir; werden wir verfolgt, ertragen wir‘s; werden wir verleumdet, reden wir freundlich. Zum Abschaum der Welt sind wir geworden, zum Unrat für alle, bis auf den heutigen Tag.“ Leben und Dienen als Apostel zeichnet sich durch Leiden aus, wie Paulus bei seiner Bekehrung erfuhr (Apg 9,16).

Apostel sind eine spezielle Gesellschaft

  • Jesus wählt seine Apostel nicht unbedingt aus ausgeglichenen Charakteren.
  • Jesus ist vielmehr bereit, viel Zeit in die Charakterformung zu investieren.
  • Jesus formt seine Apostel mit viel Geduld und Liebe durch Leiden.
  • Bei Dienstantritt als Apostel sind sie gereifte Persönlichkeiten.
  • Mit Aposteln verhält es sich wie mit komplexen Weinen – je älter sie werden, umso besser sind sie „ausgebaut und entwickelt“.

Die Zeichen eines Apostels sind übernatürliche Manifestationen. Das wird z.B. aus der Auseinandersetzung des Paulus mit den sogenannten „Überaposteln“ deutlich (2 Kor 10-13). Mangelnde Redekunst oder Fragen der Finanzierung sind keine Kriterien, an denen das Vorliegen eines Apostolats gemessen werden kann (2 Kor 11,5-15), wohl aber der Inhalt des verkündeten Evangeliums (2 Kor 11,1-4). Mit seinen Gegnern stimmt Paulus darin überein, dass das, was einen Apostel ausmacht, „durch Zeichen und Wunder und machtvolle Taten“ wirksam wird (2 Kor 12,12).

Um Jesu willen sind diese übernatürlichen Manifestationen unentbehrlich. Hinter den Wundern eines Apostels steht Jesus (Apg 3,12ff). Jesus bezeugt in diesen Zeichen und Wundern seine Macht und legitimiert zugleich seine Gesandten. Deren Fehlen zeigt, dass kein apostolischer Anspruch erhoben werden kann. Die Bestimmung eines Apostels ist es, die Auferstehung Jesu zu bezeugen – eben nicht nur mit Worten, sondern mit machtvollen Taten übernatürlicher Natur. Das Vorhandensein von Zeichen und Wundern und machtvollen Taten ist meines Erachtens unerlässlich.

Wo ein Apostel am Werk ist…

  • manifestieren sich Zeichen, Wunder und machtvolle Taten;
  • bezeugt Jesus seine Macht und die Kraft seiner Auferstehung.

Zeichen und Wunder sind Kennzeichen eines Apostolats. Das aber ist nicht alles. So sagt Jesus zu Paulus: „Du hast genug an meiner Gnade, denn die Kraft findet ihre Vollendung am Ort der Schwachheit“ (2 Kor 12,9). Paulus folgert nun daraus: „So rühme ich mich lieber meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir Wohnung nehme. Darum freue ich mich über alle Schwachheit, über Misshandlung, Not, Verfolgung und Bedrängnis, um Christi willen. Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2 Kor 12,9f).

Voraussetzung für apostolische Vollmacht, dafür dass die Kraft Christi bei einem Apostel Wohnung nimmt, ist die Teilhabe am Leiden Christi. Darum rühmt sich Paulus seiner Leiden (2 Kor 11,21-33). Nochmals: Das Los eines Apostels ist zu leiden, denn die Kraft Gottes offenbart sich in Schwachheit. Damit kann gesagt werden, die Teilhabe an der Schwachheit des Kreuzes (2 Kor 12,9.10) sowie das standhafte Ertragen aller Drangsale und Leiden (2 Kor 12,12) sind nach meinem Dafürhalten für einen Apostel unentbehrlich. Leidensscheu beraubt ihn seiner Vollmacht und behindert ihn darin, seiner Bestimmung zu folgen.

Christian Frei

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