Der Begriff „Team“ mag noch nicht erfunden gewesen sein – gearbeitet hat der Apostel trotzdem immer schon mit anderen zusammen.

„Wir werden ein Team sein!“, versicherte die frisch gewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der Antrittsrede zu ihrer ersten Amtszeit. Sie unterstrich damit ihren Wunsch nach guter Zusammenarbeit in der Kommission. Sich als Team darzustellen, steht zurzeit hoch im Kurs, und Teamfähigkeit ist zu einer entscheidenden Kompetenz geworden. Und das nicht zu Unrecht. Sieht man sich etwa Mannschaftssportarten an, wird klar: Sie sind nur im Team denkbar. Ein einzelner Spieler kann zwar den Ball irgendwohin kicken, aber nicht Fußball spielen, und ein einzelner Basketballer kann Körbe treffen, aber nicht seinen Sport betreiben.

Für mich wirft diese einfache Beobachtung ein ganz wesentliches Licht auf alles, was wir im Reich Gottes tun: Ohne Team geht eigentlich gar nichts! Auch in der Bibel werden Gottes Wirken und die Aufgaben in seinem Reich immer wieder als Zusammenarbeit verschiedener Akteure gesehen. Oder anders ausgedrückt: Teamwork ist überall zu entdecken! In der Vision unserer Missionsgesellschaft sprechen wir davon, „starke Teams“ zu fördern. Damit wollen wir Überzeugungen verwirklichen, die wir aus der Bibel gewonnen haben.

Jesus und sein Team

Gleich zu Beginn seines Wirkens sammelt Jesus Jünger um sich. Er beruft sie in die Nachfolge und perspektivisch schon für eine bestimmte Aufgabe: „Folgt mir nach und ich werde  euch zu Menschenfischern machen!“ (Mk 1,17). Zunehmend bezieht er diese Männer in seinen Dienst mit ein: Sie begleiten ihn überall hin, er lässt sie an seiner Berufung teilhaben und schickt sie in Zweierteams befristet ohne ihn los.

Es ist lohnenswert, einmal den Blick auf die Beziehungen innerhalb dieses Jüngerteams zu lenken. Die Evangelien geben dazu viele Hinweise, wovon ich zwei herausgreifen möchte. Euch „habe ich Freunde genannt, weil ich euch alles […] kundgetan habe“ (Joh 15,15) sagt Jesus seinen Jüngern kurz vor seinem Tod. Obgleich er ohne Frage ihr Herr und Meister war (Joh 15,14), macht er klar, dass er in seinem Team auch starke persönliche Beziehungen pflegt („Freunde“) und ein hohes Maß an Transparenz in klarer Kommunikation kultiviert. Würden so manche Teams im Bereich von Gemeinde und Mission allein diese beiden Ebenen bewusster und stärker entwickeln, wäre schon sehr viel gewonnen!

Euch habe ich Freunde genannt, weil ich euch alles kundgetan habe
(Joh 15,15)

Ein weiterer Aspekt der Teambeziehung zeigt sich, als Jesus über sein Leiden und seinen Tod spricht und Petrus ihn unmittelbar darauf zurechtweist. Ist es nicht bemerkenswert, dass Petrus die Freiheit hatte, seinem Herrn zu widersprechen? Mir scheint, das deutet auf ein Klima der Freiheit, Offenheit und Mündigkeit im Jüngerteam hin, in dem es möglich war, zwanglos und frei Fragen zu stellen und auch eigene Meinungen zu äußern. Aus meiner Sicht ist solch ein Klima absolut erstrebenswert für jedes Team! Den großen Auftrag, Menschen aus allen Völkern zu seinen Jüngern zu machen, gibt Jesus schließlich der ganzen Gruppe und verspricht: „Ich bin dabei, wenn ihr losgeht!“ (Mt 28,18-20). Jesus hat nicht einen  Nachfolger aufgebaut und eingesetzt, sondern ein Team zusammengestellt, das er gemeinsam beauftragt – und er geht sozusagen als Teamleiter mit. Unter diesem Aspekt ist Mission also Teamwork: zusammen mit Jesus und anderen!

Gott ist ein Teamplayer

Dass der souveräne und heilige Gott ein Teamplayer ist, mag etwas gewagt klingen. Doch der Gott der Bibel offenbart sich ja eben als der dreieine Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist  stehen in einer Beziehung und wirken zusammen. Eine erste Andeutung davon ist bei der Schöpfung des Menschen zu erkennen, wo es heißt: „Lasst uns [Plural!] Menschen machen in unserem [!] Bild“ (1 Mo 1,26).

Weitere Andeutungen finden sich in der Geschichte Israels im Alten Testament, doch deutlicher entfaltet wird das Zusammenwirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist erst im Neuen Testament. Der Vater sendet Jesus, den Sohn, der als Mensch in der Kraft des Heiligen Geistes wirkt, wobei er das tut und lehrt, was der Vater ihm sagt. In Jesus offenbart Gott sich selbst („Wer mich sieht, sieht den Vater“) und im Heilsgeschehen von Kreuz, Auferstehung, Himmelfahrt und Ausgießung des Geistes wirken die drei Personen Gottes geheimnisvoll zusammen – zu unserem Heil. Wenn nun dieser Gott, der in sich selbst gewissermaßen ein Team ist, den Menschen „in unserem Bild“ geschaffen hat, dann heißt das auch: Wir sind als Gemeinschaftswesen konzipiert und funktionieren am besten in Beziehungen oder eben im Team!

Leitung im Team

Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen scheint es nur logisch, dass auch Führung in Gottes Gemeinde idealerweise im Team geschieht. Die  Anweisungen der Pastoralbriefe (1 Tim 3; Tit 1) zu den Kriterien für Älteste bzw. Aufseher gehen selbstverständlich von mehreren Personen aus – sozusagen von einem Leitungsteam für die lokale Gemeinde. Petrus verwendet in diesem Zusammenhang zwar das Bild von Hirte und Herde, spricht die Ältesten aber auch als Gruppe an (1 Pet 5). Dass eine christliche Gemeinschaft von nur einem einzigen Leiter geführt wird, der ihr vorsteht, ist dem Neuen Testament ganz offensichtlich fremd. Das Ein-Mann-System ist ein Produkt der Kirchengeschichte und spiegelt eher Führungsstrukturen des Römischen Reiches wider als Gottes Gedanken über seine Gemeinde.

Manchmal wird in diesem Zusammenhang auf Personen des Alten Testaments verwiesen, die in exponierter Stellung Führungspositionen im Volk Gottes innehatten: Mose, Josua, David oder Nehemia. Sie haben visionär geführt und Gottes Volk in verschiedenen Situationen vorangebracht. Ihre Geschichten und ihr Handeln sind lehrreich und inspirierend, doch taugen sie wirklich als Vorbilder für Leiter heute? Jesus macht seinen Jüngern dagegen deutlich: „Denn einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder“ (Mt 23,8). Offenbar haben sie mehrfach darüber diskutiert, wer der Größte im Jüngerkreis ist. Jesus macht unmissverständlich klar, dass die Kategorien von Herrschaft und Gewalt unter ihnen keinen Platz haben: „So aber ist es nicht unter euch; sondern wer unter euch groß werden will, soll euer Diener sein“ (Mk 10,43).

Paulus: Apostel im Team

Nun sprechen wir nicht von Teams für alle möglichen Bereiche und Aufgaben in Gemeinde und Mission. Sondern wir möchten konkret Teams stärken, die das Evangelium von Jesus neu in eine Stadt, Region oder auch in ein gesellschaftliches Segment bringen. Es geht also um apostolische Teams. Sie unterscheiden sich von Mitarbeiterkreisen, Leitungskreisen, Kirchenvorständen etc., die im Bestehenden arbeiten. Gerade Menschen, die apostolisch begabt sind, haben die Arbeit in solchen Gremien schon als mühsam und frustrierend erlebt und ziehen nun lieber allein los…

An dem Apostel Paulus und seinen Mitarbeitern sehen wir hingegen, dass im Neuen Testament die Ausbreitung des Evangeliums in Teams geschah. Dabei gilt: Kein apostolisches Team ohne Apostel! Wir sind überzeugt, dass ein solches Team eine oder mehrere apostolisch begabte und berufene Leute braucht, um wirklich dorthin zu gehen, wo sonst keiner hingeht und etwas Neues zu gründen. Um das zu verdeutlichen, reden wir nicht einfach nur von „missionarischen Teams“, was ja alles mögliche bedeuten könnte – schließlich sollten und können ja alle Gemeindeglieder auf ihre Art missionarisch wirken, ohne apostolisch zu sein.

Jedes apostolische Team braucht apostolisch begabte Teamplayer

Paulus hatte direkt von Jesus eine Berufung zum Apostel erfahren (Apg 9,15f), was er in mehreren seiner Briefe betont. Seine Berufung und sein Dienst scheinen wie ein Kristallisationspunkt zu wirken, um den sich ein apostolisches Team sammelt. Bei der Aussendung durch die Gemeinde in Antiochia stellt Gottes Geist selber das Team zusammen: „Sondert mir nun Paulus und Barnabas zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe!“ (Apg 13,2). Er bestätigt die apostolische Berufung und fordert zu einem konkreten Schritt auf: Stellt sie frei, lasst sie  ziehen! „Ausgesandt durch den Heiligen Geist“ (Apg 13,4) steht daraufhin sozusagen als Thema über der ersten Missionsreise.

Berufung und Sendung durch Gott selbst sind nach unserer Überzeugung auch heute noch unabdingbare Voraussetzungen für apostolische Teams! Die Zusammenstellung eines apostolischen Teams ist von daher immer auch ein geistlicher Prozess, der durch sonstige Teambildungsprozesse nicht ersetzt werden kann. Damals in Antiochia gehörten gemeinsamer Dienst, Gebet und Fasten sowie die Verankerung in einer lokalen Gemeinde zu den Werkzeugen, mit denen ein erfolgreiches apostolisches Team zusammengeschmiedet wurde.

Nicht zuletzt dürfen wir etwas ganz Offensichtliches nicht übersehen: Apostel werden gesandt und sie gehen los! Das ist ihr Wesen und es erfordert ein hohes Maß an innerer und äußerer Mobilität. Es gibt keinen Grund zu glauben, dass es heute anders gehen könnte. Doch wo sind die Gemeinden, die solche Prozesse fördern und aus denen neue apostolische Teams hervorgehen? Wichtig ist: Apostolische Teams sind in erster Linie allein von Gott abhängig. Ausgesandt vom Heiligen Geist (Apg 13,4) werden Barnabas und Saulus ziehen gelassen (13,3) und „der Gnade Gottes befohlen“ (14,26). Das bedeutet also umgekehrt ein hohes Maß an Freiheit und Unabhängigkeit von der lokalen Gemeinde.

Teamnachwuchs

Als Timotheus zum Team des Paulus stößt, zeigt sich noch ein weiterer Weg, wie ein apostolisches Team gebildet wird. Paulus besucht die von ihm und Barnabas gegründeten Gemeinden und findet in Timotheus einen Mitarbeiter mit gutem Ruf vor (Apg 16,2). Offenbar kannte er auch dessen Familie (2 Tim 1,5) und so wird der Apostel aktiv: „Paulus wollte, dass dieser mit ihm ausziehe“ (Apg 16,3). Auf diese Weise bekommt Paulus nicht nur einen lebenslangen Mitarbeiter in seinem Team, sondern dieser junge Mann wird für ihn zum „echten Kind im Glauben“ (1 Tim 1,2).

Ich möchte anhand dieser Begebenheit zwei Dinge festhalten: Erstens zeigt sich besonders schön, dass ein apostolisches Team nicht nur durch Auftrag und Berufung zusammengehalten wird, sondern dass auch tiefe persönliche Beziehungen eine große Rolle spielen. Zweitens wird deutlich, dass Berufung nicht nur ausschließlich durch den Heiligen Geist geschieht, sondern dass sie auch durch eine Person mit geistlicher Erfahrung und Autorität ausgesprochen werden kann. Hier könnten wir durchaus mutiger sein! Wie Paulus sollten Missionare und Gemeindegründer ein Augenmerk auf „Eigengewächse“ in ihren Gründungsprojekten und Gemeinden haben. Nach Paulus’ Vorbild sollten wir solche (meist jungen) Leute besonders fördern und sie dabei unterstützen, ihre Berufung zu finden – und sie vielleicht auch in das eigene Team berufen. Hier liegt nach meiner Überzeugung ein großes Potenzial!

Innenansichten eines Teams

Wie werden in Paulus’ Team Entscheidungen getroffen? Wie erlebt es Gottes Führung? Interessante Einblicke bietet der Abschnitt Apostelgeschichte 16,6-10. Das Team ist in der heutigen Türkei unterwegs und zweimal wird von einer Kurskorrektur berichtet. Gerne wüssten wir, wie sie konkret zuging, aber sie wird nur angedeutet: Die Männer ziehen weiter „nachdem sie vom Heiligen Geist verhindert worden waren“ und wollen nach Bithynien reisen, doch „der Geist Jesu erlaubte es ihnen nicht“. Der Plural deutet an, dass das ganze Team Gottes Führung erlebte, nicht nur allein Paulus als Apostel.

Später hat Paulus eine Vision von einem Mazedonier, der um Hilfe ruft – und auf geht’s nach Mazedonien. Davor heißt es jedoch ausdrücklich: „Da wir schlossen, dass Gott uns gerufen habe …“ (Apg 16,10). Gott spricht übernatürlich zu Paulus, dem Teamleiter, doch sie zogen gemeinsam einen Schluss daraus. Es ist gut vorstellbar, dass man die ganze Sache ausgiebig diskutiert hat. Lukas verwendet über fünfzigmal in der Apostelgeschichte den Plural wie „sie“, „wir“ und „uns“, wenn er von Paulus und seinen Mitarbeitern berichtet. Einerseits ist völlig klar, wer aufgrund seiner apostolischen Berufung der Leiter ist, andererseits bleibt das übrige Team nicht unmündig außen vor, sondern wird mit in die Verantwortung genommen. Ein hilfreiches Vorbild, das einerseits zeigt: Ein apostolisches Team, das Grenzen überschreitet, braucht Führung – von Gott und auch durch einen Leiter. Andererseits ist es unabdingbar, dass in Entscheidungsprozessen alle mit im Boot sind. Bei alldem geht es nicht ohne ein hohes Maß an Flexibilität, um auf Gottes Führung zu reagieren. Paulus arbeitete mit Teams in verschiedenen Zusammensetzungen – freiwillig blieb er praktisch nie alleine. Wie sieht das bei uns heute aus?

Wolfgang Klöckner

…lebt und arbeitet seit vielen Jahren mit seiner Frau Ute im Allgäu, wo sie die Gründung und den Aufbau einiger Gemeinden gestartet und unterstützt haben. Sie begleiten und fördern verschiedene missionarische Projekte in der Region. Wolfgang engagiert sich darüber hinaus im Vorstand der Deutschen Inlandmission (DIM).

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